Anousch Mueller (D) Jurydiskussion

Die letzte Autorin des ersten Lesetags war Anousch Mueller mit ihrem Text "Falunrot". Eine Reise nach Schweden als Abschiedstournee für eine krank machende Beziehung. Müller wurde von Meike Feßmann eingeladen, der Text wurde zwiespältig aufgenommen.

Anousch Müller (Bild: Johannes Puch)Anousch Müller (Bild: Johannes Puch)

Winkels: Bedauernswert einfach gestrickt

Ganz einig wurde sich die Jury auch beim letzten Text des Tages nicht. Eine Reise nach Schweden als „Abschiedstournee“ für eine Beziehung, die krank macht – das sei „bedauernswert einfach gestrickt“, machte wieder Hubert Winkels den Anfang. Der Mann werde systematisch denunziert, alles laufe auf einen reinen Zweikampf hinaus. Die „Nicht-Liebe, der Hass sei von Anfang an da und klar, die Frage sei, ob sich nicht auch die Erzählerin einer gesteigerten Lieblosigkeit schuldig mache? Dieser Schematismus werde auch nicht durch die teilweise drastische Erzählweise unterbrochen. „Mit klappert der Mechanismus zu laut“, das sei nicht mehr angenehm anzuhören, schloss Winkels.

Jandl: Was will der Text sagen?

Jandls Frage, ob die Krankheit der Protagonistin metaphorisch oder medizinisch zu verstehen sei, schien rein rhetorisch gemeint. Der Juror kanzelte den Text kurz und knapp ab: „Was will der Text sagen? Das ist eine Trennung aus den üblichen Gründen - Ok! es ist besser so“.

Feßmann eilte Autorin helfend zur Seite

Hier fühlt sich Meike Feßmann schließlich bemüßigt, der Autorin und ihrem Text helfend beizuspringen: Die Protagonistin leide an pathologischer Panik, sein ein Grenzfall. Ihr Körper reagiere auf die Beziehung mit Krankheit. „Sie ist unterlegen, bringt aber den Mann als Figur nicht von vornherein in die Rolle des Verurteilten“. Hier habe man es mit dem ungewöhnlichen Fall einer Ich-Erzählerin und einer „erlebten Rede“ zu tun. „Die Autorin macht das nicht absichtlich, sie kann das einfach, indem sie die gefärbte Weltsicht der Frau übernimmt. Leo dagegen ist im originalen O-Ton zu hören.“ Nicht übersehen werden dürfe auch der große Humor des Textes, sie habe beim Lesen streckenweise „schallend“ gelacht. Ein Kammerspiel, bei dem sie an ganz große Vorbilder wie Henrik Ibsen habe denken müssen. "Ein ausgezeichneter Text."

Feßmann, AnkowitschFeßmann, Ankowitsch

Spinnen zu Feßmann: Sie sind in den Text verliebt

„Ohne ihnen zu nahe treten zu wollen“, begann Burkhard Spinnen, der sich diesmal nicht bis zum Schluss Zeit ließ, „mir scheint sie scheinen in diesen Text auf einen solche Weise verliebt zu sein, wo einen nicht einmal der beste Freund versteht“. „Das ist der souveränste Text von allen bisher gehörten“, so Spinnen, die Intention des Textes meinend. Der Juror strich auch dessen „hohen Ton“ hervor, bemängelte gleichzeitig jedoch auch dessen „Tendenz zum Verunglücken“. „Das Protokoll einer Heilung“, so Spinnen, die Frau entziehe sich der Kasernierung, wobei man sich fragen müsse, wo hier die Authentizität sei: „Das offenbart sich hier nicht, die Glasklarheit ihres Sieges müsste spürbar sein.“

Feßmann begann nochmal: Das sei ein klassischer Fall, das Vokabular poetisch übertourt, auch Gott tauche hin und wieder auf und gebe Vertrauen. Das sei „genau gearbeitet“.

Winkels, Strigl (Bild: Johannes Puch)Winkels, Strigl (Bild: Johannes Puch)

Keller: Voller Stimm-Brüche

„Auch eine Skandinavien-Reise und Beziehungen können ein schwieriges Thema sein“, so Hildegard Elisabeth Keller, in Sachen „Souveränität“ wollte sie aber dann doch nicht mit auf die Reise: Die Stimme sei „voll vielfacher Stimm-Brüche“. Der Versuch, poetische Register zu ziehen, gehe fehl, das sei noch nicht ausgereift.

Jandl meldete sich dann doch noch einmal in Richtung Burkhard Spinnen zu Wort: „Nicht der Text, nicht die Sprache ist souverän, sondern das Bewusstsein“. Die Bilder und Metaphern würden in vielen Dingen „nicht stimmen“.

Strigl nicht ganz überzeugt

„Das ist ein Kräftemessen zwischen David und Goliath“, begann Daniela Strigl. „David gewinnt, die Frage sei nur: wie schafft sie das?“. Das Ich zwinge einem die Perspektive auf, der Mann sei nicht verständlich dargestellt und werde auch nicht als „ebenbürtiger Sparringpartner“ sichtbar. Die eigentliche Frage sei doch: „Warum fährt sie mit ihm nach Schweden, wenn Norwegen schon so furchtbar war? Die Antwort: weil die Rache am Ende einer - scheinbar geglückten – Urlaubsreise umso größer ist. Das überzeuge sie, Strigl, jedoch nicht ganz. Die poetischen Sätze des Textes wären dadurch zu retten, das man anführen könnte, das vom Mann aufgebaute „Postkarten-Reise –Idyll“ werde konterkariert durch die Frau, die rebelliert. Gerade in seinen „bösen Passagen“ sei der Texte humorvoll. Wenn im Texte stehe: „Fontane hätte mich erfunden“ müsse sie leider widersprechen. Die Frauen Fontanes wären nicht derart schwach, sondern vielschichtiger und abgründiger als hier.

Steiner: Nicht beurteilbar

Juri Steiner machte zum Schluss einen auf Burkhard Spinnen – und ließ sich Zeit: er habe den Text von vorne nach hinten und umgekehrt gelesen. Der Triumph „Davids“ werde nur durch das „Schweigen“ im Außen möglich, während innen die Kopfkamera permanent weiterlaufe. Wie gelungen das insgesamt sei, könne er aber nicht beurteilen.

Da versuchte Meike Feßmann noch einmal zu retten: Der Text wäre durch den Vortrag etwas untergegangen. „Hätte ihn Sibylle Lewitscharoff vorgetragen“, hätte er „böser“ und „vielschichtiger“ geklungen, so die Jurorin.