Isabella Feimer Jurydiskussion

Die Österreicherin Isabella Feimer beendete die heurigen Lesungen mit ihrem Text "Abgetrennt". Sie wurde von Corina Caduff eingeladen. Überzeugen konnte auch der letzte Text diese Tages die Jury nicht.

Isabella Feimer (Bild: Johannes Puch)Isabella Feimer (Bild: Johannes Puch)

Winkels: Hätte eine sehr gute Geschichte werden können

„Es hätte eine sehr gute Geschichte werden können“, begann Hubert Winkels erneut die Diskussion und machte schon da seine Meinung über den Text deutlich. An sich sei das Grundmotiv - eine Frau werde von einem Mann „besprochen, quasi beschriftet“, sehr schön zu nennen. Auch die „Inszenierung der Beziehungsproblematik“, mit dem Versuch der Ermächtigung und Wiedergewinnung der eigenen Identität sei, in der „Radikalität“, mit der hier die „Unterwerfung“ der Frauenfigur inszeniert werde, zu loben. Offen bleibe, ob sich die Erzählerin aus dieser Hörigkeit befreien werde können.

"Dem Leser nicht alles mit Holzhammer einbläuen"

Was ihm allerdings nicht gefallen habe, seien die vielen Hinweise, die zu starke Wiederholung, mit der der Text sein Thema deutlich mache. „Man muss dem Leser nicht mit dem Holzhammer einbläuen“, was dieser längst verstanden habe, so Winkels.

Hubert Winkels (Bild: Johannes Puch)Hubert Winkels (Bild: Johannes Puch)

Feßmann: Geschichte eines unnötigen Abschieds

Meike Feßmann wollte es anders deuten: „Es ist die Geschichte eines unnötigen Abschieds“, die Frau lebe eigentlich in einer glücklichen Beziehung, allerdings in großer Abhängigkeit. In dieser Geschichte einer neurotischen Frau, müsse sie, um nicht verlassen zu werden, selbst ihren Mann verlassen“.

Wiederum anders wurde die Geschichte von Corina Caduff gelesen: „Diese Frau ist schon verlassen worden, die Motivation des Sprechens geschieht hier aus einer Verletzung heraus“ - der "Topos einer Verlassenen". Was erzählt werde, könnte auch als Brief gefasst stehen. Neben dem Atem interessierten sie in dem Text vor allem die „Akte der Abtrennung“ wie das Abtrennen der Hühner-Köpfe oder das Ausstoßen der Tinte beim Tintenfisch, die den Text beleben würden.

Keller: Text nimmt mich gut an der Hand

Hildegard Elisabeth Keller meinte, nachdem Jury-Kollegin Caduff bereits auf die "konzeptuelle Klarheit" des Textes hingewiesen habe: „Ich weiß wer erzählt und warum - diese Hauptfigur sammelt Erinnerungen, um sie dem Mann zurückzugeben“. Sie fühle sich von dem Text „gut an der Hand genommen“, alle ihre Fragen würden im Gegensatz zum vorhergehenden, beantwortet. Sie spüre auch eine Schmerz- und Wehmutslust darin. Was ihr in der Konstruktion allerdings nicht ganz einleuchte sei, warum der „Schrecken der Kindheit“ gesucht werde, nachdem dieser offenbar „nie ganz vorhanden war“. Als solches sei der Text zwar „gelungen“, aber auch nicht besonders berührend, was vielleicht an der „konzeptuellen Schärfe des Textes“ liege. „Ich habe das Drängende dieser Abhängigkeit nicht ganz verstanden“.

Daniela Strigl (Bild: Johannes Puch)Daniela Strigl (Bild: Johannes Puch)

Strigl bat: Bitte keine geköpften Hühner mehr

„Ich bevorzuge es, nicht ganz zu fest bei der Hand genommen zu werden“, stichelte daraufhin Daniela Strigl in Richtung Kellers. Einiges habe ihr in dieser Geschichte über das Erzählen zwar gut gefallen, wie etwa die Suche nach dem „idealen Zuhörer“, der sich nicht langweile - was sich aber leider nicht automatisch auf den Leser übertragen lasse.
Wenngleich ihr einige Ideen in dieser Geschichte gut gefallen hätten, spritze darin zeitweise auch „zu viel Tinte“ herum. Ihr Problem sei ein Doppeltes, so Strigl: einerseits gebe es in der Geschichte „sehr viel Gefühl“ – ein Eindruck, der sich durch den Vortrag im negativen Sinne noch verstärkt hätte – andererseits habe sie mittlerweile eine Allergie gegen eine solche Art von „Hühnerkopfabtrennungsliteratur“ entwickelt, weil dieses Motiv mittlerweile in fast jedem zweiten Text vorkomme. „In der Literatur mag ich kein Huhn mehr - ich glaube, dass das ein Bauplanfehler ist. Insgesamt keine glückliche Idee, diese kopflose Geliebte mit einem Huhn paralell zu machen“, so Strigl.

Jandl ätzte: Die verlassen Frau als kopfloses Huhn

„Die verlassene Frau als kopfloses Huhn“, fuhr daraufhin auch Paul Jandl „kräftig drein“: Ich finde der Text ist voller Schlagerpoesie und klebriger Sentimentalität, der Vortrag hat das noch unterstrichen“.

Jandl: "Frau Caduff, haben sie diese Lyrik auch gelesen?"

Corina Caduff konnte die Allergien der Kollegen zwar „nachvollziehen“, wollte aber dennoch noch auf einiges hingewiesen haben: „Der Text kippt zwischen Prosa und Poesie, erst in der Lyrik am Ende ist es der Erzählerin möglich, Ich zu sein“ - ob das nun „Rettung" oder "Endstation“ bedeute, bleibe zwar unbestimmt - diese poetologische Szene sei jedenfalls sehr interessant, so Caduff.
„Frau Caduff, haben sie denn gelesen, um welche Lyrik es sich handelt?“ protestierte da Paul Jandl, eben diesem Gedicht am Ende die literarische Qualität völlig absprechend. Hubert Winkels wollte retten: „Das ist doch Hardcore, das kommt auch der radikalen Unterwerfung dieser Frau – ein Darkroom, da kommt auch die Härte der Sado-Maso-Frau nicht mit“.

Spinnen mahnte - um dann noch nachzulegen

„Also, ich hätte mich im Leben nicht getraut, über die Sache mit dem Huhn hier so zu sprechen wie Daniela Strigl“, sagte Burkhard Spinnen und mahnte, dass man literarische Topoi den Autoren nicht verbieten könne. - legte dann allerdings noch ein Schäufchen nach: „Mein Proseminar-Professor hat gesagt: Nichts taugt zum Ausdruck, was ihn garantiert“. Die Ausdruckskraft des Textes gewährleiste es einfach nicht, diesen im Sinne der „poststrukturalistischen Schule“ mit Hubert Winkels zu lesen.