Leopold Federmair Jurydiskussion

Der gebürtige Welser Leopold Federmair, der in Hiroshima lebt, las den Text "Aki". Er kam auf Einladung von Daniela Strigl nach Klagenfurt. Von der Jury bekam der Autor, der die Jury bei ihrer Kritik mehrmals fotografierte, vorwiegend Negatives zu hören.

Leopold Federmair (Bild: Johannes Puch)Leopold Federmair (Bild: Johannes Puch)

"Fotograf" Federmair erntete spitze Bemerkung Stadlers

„Wir danken Herrn Federmair, der mit ein paar Fotos der Jury nachhause geht“- mit diesen Worten verabschiedet, schien Moderatorin Clarissa Stadler Leopold Federmair nach der Diskussion wenig Chancen auf den Ingeborg Bachmann-Preis einzuräumen.

Winkels: Nicht überkomplexe Geschichte ist schön erzählt

Die zufällige Begegnung zweier Menschen, die einst Freunde waren, wird in "Aki" aus der weiblichen Perspektive einer Kellnerin erzählt – eines der Hauptprobleme für die meisten Juroren. Hubert Winkels lobte zwar die „schöne“, in Rückblenden erzählte und „nicht überkomplexe“ Geschichte, die eben „einfach sein“ wolle – was auch gut gemacht sei - doch schon Meike Feßmann brachte die Vorbehalte der meisten anderen Kollegen auf den Punkt.

Feßmann: Weibliche Perspektive nicht gelungen

Feßmann: „Diese Geschichte ist nicht gelungen, weil sie aus der Perspektive einer Frau erzählt wird. Eine Pubertätsgeschichte unter der Maske einer weiblichen Erzählerin“, die aber - durch das „männliche Körperwissen des Autors“ – ständig zu „Notbehelfen“ greifen müsse. Die weibliche „Tarnfigur“ sprenge die Geschichte, so Feßmann, die von dieser Meinung auch nicht mehr abrücken sollte.

Meike Feßmann (Bild: Johannes Puch)Meike Feßmann (Bild: Johannes Puch)

Keller: Wer erzählt, weshalb und wozu?

Hildegard Elisabeth Keller war an der Geschichte ebenfalls so Einiges nicht klar: „Wer erzählt, weshalb und wozu? Diese Kellnerin, zehn Jahre älter als die Titelfigur „Aki“ - „versucht sie zu bilanzieren? Da sind verschiedene offene Scharniere, die nicht funktionieren“. Die „Leerstellen“ im Text wären zu unentschieden und würden noch dazu auch oft "ins Leere" laufen, wobei ihr zwar die Sprache an einigen Stellen „außerordentlich gut gefallen“ habe und es „wunderbare Passagen“ gebe – dann sei ihr aber wieder nicht klar, wer hier eigentlich erzählt. Insgesamt: „Zu entschieden für mich“, so Keller.

Spinnen: Erinnerung an Jack Kerouacs "On the road"

Burkhard Spinnen schien sich auf die Genderfrage des Erzählers, nach „heftigen Gesprächen mit Iris Radisch“, wie er sagte, nicht einlassen zu wollen. Diese „todtraurige“ Geschichte, in der es noch keine CDs gebe, spiele so um '84 rum, meinte Spinnen, der sich etwas an Jack Kerouacs „On the road“ erinnert fühlte: "Man erinnert sich an diese irren Typen – in diesem Fall ist das aber erheblich runtergedimmt, was das Irre-Sein Akis anbelangt. Das Innere Brennen ist dem Brennen im Gesicht, der Akne gewichen, und auch das musikalische Faible erschöpft sich hier in viel Wollen und wenig Können“, so Spinnen. Ein Text, der ihn auch an die „irren Typen“ seiner eigenen Jugend erinnere, mit denen man eben nicht „on the road“ war – was Spinnen zu dem Appell via TV veranlasste: Meldet euch doch bei mir“.

Burkhard Spinnen (Bild: Johannes Puch)Burkhard Spinnen (Bild: Johannes Puch)

Strigls Rettungsversuch: Eine verpatzte Katharsis

Strigl versuchte zu retten: "Das ist ein Text über eine verpatzte Katharsis und Erlösung, der Abstieg eines irren Typen zum Schlimmsten, was es überhaupt gibt: einem Bankbeamten". Als männlicher Autor in eine weibliche Erzählerin zu schlüpfen, sei immer ein Wagnis – sie fühle sich nicht „irritiert“ davon, das seien „keine Argumente gegen den Text“, bei dem es sich nicht um einen inneren, sondern einen äußeren Monolog handle: Die Kellnerin erzähle jemanden von der Begegnung in der Bank und blicke zurück. „Wieder eine Geschichte, in der es schlecht riecht, die Geschichte einer vergifteten Nostalgie, die ungemein berührt und gleichzeitig rührend ist, weil man der eigenen Phantasien nachtrauert – das ist sehr gut gelungen“.

Jandl: Halbtraurig, aber fruchtlos

Auch Paul Jandl wollte da nicht mit und auch gar nicht allzu viel zu der Geschichte sagen: „Das ist die Geschichte eines Spannungsabfalls, halbtraurig, aber fruchtlos“: Bob Dylan, New York, „alles was man sich eben beatmäßig so zusammenträumt“, ergebe eine Geschichte, die in ihrer „subtilen Dramatik“ für seinen Geschmack „zu wenig Fallhöhe“ aufweise: „Dieser Landgasthof ist so weit weg von der Pop-Welt und dem großen Verbrechen, dass das bis zum Bankbeamten nur ein Stück weiter runter sackt“ - was in dem Gasthaus-Milieu aber viel zu erwartbar sei, so Jandl.

Hildegard Elisabeth Keller (Bild: Johannes Puch)Hildegard Elisabeth Keller (Bild: Johannes Puch)

Keller: Aki ist das Gegenteil von irrem Typen

In der Parallele zu Jack Kerouac sah Hildegard Elisabeth Keller einen vollkommenen Irrtum: Aki sei doch gar kein irrer Typ, sondern das Gegenteil davon, woraufhin Meike Feßmann noch einmal ansetzte: Natürlich könne sich die Jury keine anderen Texte als die hier Vorliegenden wünschen - aber dem in Japan lebenden Autor Federmair sei das Heimatliche wahrscheinlich literarisch interessant erschienen, während sich die Jury bei diesem Setting vielleicht etwas gelangweilt habe.

Strigl warnte zukünftige Autoren vor

„Ich möchte an dieser Stelle eine Warnung an alle zukünftigen Autoren aussprechen: Alles was sie hier sagen, kann gegen sie verwendet werden“, so Daniela Strigl, die die „unangenehme Enge“ des Textes verteidigen wollte: „Eine solche Kindheit wäre in Japan nicht interessanter als hier in Österreich!“

Caduff: Fotografieren als performativer Akt

Federmair, der auf die Wortmeldungen der Jury scheinbar ungerührt und nur mit Fotografieren reagierte, wurde von Corina Caduff angesprochen: Sie sprach vom „ersten performativen Akt“, den ein Autor damit heuer in Klagenfurt gesetzt habe. Der Diskussion habe sie eigentlich „nicht Substanzielles“ mehr hinzuzufügen, ihr „neutrale Haltung“ dem Autor gegenüber sei vielleicht im gemeinsamen Schweizer Pass begründet. Von dessen Leben in Japan verführt, habe sich die Geschichte in ihrer Vorstellung auch in Japan abgespielt.

„Mit dem Schilling als japanische Währung oder wie?“ ätzte da Daniela Strigl in Richtung der Kollegin. Woraufhin diese sich mit dem Hinweis, die Imagination haben eben ihre eigene Dynamik, aus der Affäre zog.