Simon Froehling Jurydiskussion

Der Schweizer Simon Froehling las den Text "Ich werde dich finden" vor. Der Romanauszug geriet zum ersten Verriss des heurigen Bewerbs.

Simon Froehling (Bild: Johannes Puch)Simon Froehling (Bild: Johannes Puch)

Simon Froehlings Auszug aus einem Roman mit dem Titel „Ich werde dich finden“ – eine Geschichte, in der sich das Schicksal zweier Menschen durch eine Organtransplantation miteinander verknüpft - war nicht nach dem Geschmack der Jury, regte diese aber zumindest dazu an, Literaturtipps zum Thema Organtransplantation untereinander auszutauschen.

Keller: Viel Dichte im "blassen" Text

Eingeladen von Corina Caduff, eröffnete Hildegard Elisabeth Keller die Diskussionsrunde mit einigen Bemerkungen zum Bauplan des Textes: Thematisch drehe sich hier alles um das „nackte Überleben“, wobei diese existenzielle Frage anhand zweier Leben und Erzählstränge abgehandelt werde: einerseits das Leben einer jungen Frau, die bei einem Bergunfall ums Leben komme und fortan als „sehr interessante“ weil „seltene“ Figur weiterexistiere, nämlich als „sprechende Tote“, die fortan wie eine Regisseurin oder Moderatorin im Text vorkomme – was an sich eine „faszinierende“ Idee sei, so Keller.

Der zweite Strang erzähle vom Patienten einer Intensivstation, der die Niere der Verstorbenen erhalte – ein dramatisches Ereignis, dass das Leben der beiden Figuren miteinander verkette. Hier herrsche viel Dichte im Text, bei dem es sich wohl um einen Anfang handeln müsse – sie hätte allerdings gerne etwas mehr gewusst, meinte Keller - so komme das alles etwas „blass“ daher.

Strigl: "Tot sein allein genügt definitiv nicht"

„Also ich hätte gerne weniger gewusst“, sagte daraufhin Daniela Strigl lachend: Sie bedaure, dass der Erzähler die in seinem Text indirekt angelegte Aufgabe, nicht zu viel zu erklären, selbst nicht einzuhalten imstande gewesen sei. Die Erzählerin aus dem Jenseits lebe via Organ offenbar weiter, aber: „Tot sein allein genügt definitiv nicht!“, wobei das Thema – was macht das ICH, die Identität aus, wo gehen wir hin wenn ein Körperteil allein überlebt? – eigentlich interessante Fragen aufwerfe, die hier jedoch nicht ausreichend beantwortet würden. Der Beitrag des Textes dazu sei nur eine „biedere, hausbackene und hervorsagbare Philosophie“. Sie, Strigl, sei deswegen so „streng“, weil es ein hervorragendes Buch von Sabine Gruber gebe, in dem es auch um Nierentransplantationen gehe – allerdings "zwinge dieser Text seinen Lesern viel weniger auf“.

Winkels, Strigl (Bild: Johannes Puch)Winkels, Strigl (Bild: Johannes Puch)

Winkels: "Genau, langsam, umständlich"

„Trick 17“, meinte Hubert Winkels: Es gebe hier eben keinen toten Erzähler, die Figur „Max“ schreibe alles auf und konstruiere die Tote Dietschi als Erzählerin – allerdings eine zu komplexe Erzählkonstruktion. Das sei „genau, langsam und manchmal umständlich geschildert“: „Das funktioniert im Großen und Ganzen nicht“. Dabei hätten man "mit der Stimme eines Toten wirklich etwas machen können", so Winkels.

Feßmann, Jandl, Caduff (Bild: Johannes Puch)Feßmann, Jandl, Caduff (Bild: Johannes Puch)

Jandl: Erzählende Nieren haben wir nicht allzu oft

„Eine erzählende Niere, das kommt nicht allzu oft vor“, feixte Paul Jandl. Diese Erzählung über eine „Seelenwanderung qua Niere“ habe das Problem, dass sie „selbst keine Seele“ besitze, dafür aber „kitschige Szenen“ enthalte – was den Text eben auch nicht besser mache.
„Sehr apodiktisch formuliert, trifft aber das Problem“ meinte daraufhin Burkhard Spinnen, der allerdings die Frage aufwarf, wie zur Zeit E.T.A Hoffmanns mit dem Thema Organtransplantation umgegangen worden wäre: Damals sicher „steiler und spitzer“ formuliert, treffe diese Geschichte heutzutage auf ein abgeklärtes Bewusstsein und zeige den - handwerklich eingefärbten - Umgang des jetzigen Menschen mit dem Transzendentalen. „Auch ich habe beim Lesen gelegentlich stumpfe Zähne bekommen“, doch es vibriere "Zeitgenossenschaft" in diesem Text, was man diesem dringend "positiv zu Gute“ halten müsse, so Spinnen.

Und: "Zig Hosen und nix drin"

Von seinem Kurs abbringen ließ sich Paul Jandl dadurch nicht, er erntete am Ende noch einmal zustimmende Lacher, als er meinte: "In "Finnegans Wake" gibt es eine schöne Stelle, die übersetzt lautet "Mit ihm zig Hosen" - in diesem Text sind vielleicht auch zig Hosen - aber trotzdem nix drin".