Olga Martynova Jurydiskussion

"Was für ein schöner Vormittag heute" schloss Clarissa Stadler die letzte Diskussionsrunde am Donnerstagvormittag. "Ich werde sagen: 'HI'", der Text der von Paul Jandl eingeladenen Olga Martynova, traf auf großen positiven Widerhall in der Jury.

Olga Martynova (Bild: Johannes Puch)Olga Martynova (Bild: Johannes Puch)

Caduff: Vortrag hat Wahrnehmung verändert

„Der Vortrag hat meine Wahrnehmung des Textes verändert“, bat Corina Caduff, die sich eigentlich als erste gemeldet hatte, um Aufschub. Vorauszuschicken sei, dass sie es ganz toll finde, bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur einen Text zu haben, der von einem Nicht-Native-Speaker verfasst worden sei: „Von mir aus könnten es noch mehr sein!“.

Corina Caduff (Bild: Johannes Puch)Corina Caduff (Bild: Johannes Puch)

Winkels: Gelungener Vormittag

„Das war ein rundherum gelungener Vormittag“, zeigte sich Hubert Winkels als erster hochzufrieden. Die Leichtigkeit des Martynova-Textes erschließe sich zwar nicht sofort, doch sehr bald gehe man in dem geschilderten Städtchen sehr gern überallhin. „Der Text mäandert durch die Zeiten, schön ist: Das sexuelle aufgeladene Begehren hält sich mit dem Spielerischen die Waage“. Der Text sei auch eine Reflexion darüber, wie man Schreibender schreibt, wobei die Zeitspanne von 3.000 Jahren quasi „mit einem Schlenker“ übersprungen würde. „Eine schöne Arbeit“, in der das Große im Kleinen gespiegelt sei – „ein wunderbarer Kunstgriff“, so Winkels.

Hubert Winkels (Bild: Johannes Puch)Hubert Winkels (Bild: Johannes Puch)

Strigl lobte "hintersinnig-lakonisch-anarchischen Witz"

„Dem kann ich mich nur anschließen“, meinte dann Daniela Strigl, die den„eleganten Kunstgriff“ in Bezug auf die im Text angelegte Zeitspanne ebenfalls mit Lob bedachte. Auch der „hintersinnig-lakonisch-anarchische Witz“ der Geschichte gefalle ihr sehr gut, wenn es etwa im Text heiße: „Der Duft ihres Parfums mischte sich mit den Holunderblüten in ihrem Garten“ - und eben dieser Holunderduft einige Seiten vorher mit dem Geruch von Sperma verglichen worden sei. Wenn auf einer Seite gezählte 16 Mal das Wort „sagte“ verwendet werde, dann sei klar, dass man es hier mit einem Kunstgriff der Autorin zu tun habe. „Mir gefällt auch der sprachliche Rhythmus“, der „Wechsel vom Dialog zur Geschichte“, so Strigl, die am Ende noch anmerken sollte: „Ich habe beim Lesen nicht bemerkt, dass ich es mit einer ausländischen Schreiberin zu tun habe“, wohl aber sei ihr der in der slawischen Tradition stehende, skurrile Witz aufgefallen.

Feßmann: Souverän und luftig erzählt

„Ein souverän und luftig erzählter Text“, meinte auch Meike Feßmann. In der dritten Person Präteritum erzählt, werde auch hier - wie im Text Stichmanns - das Eheleben vom Protagonisten wie einem Spion beobachtet. Historische Dimensionen wie die Geschichte von der ägyptischen Mumie in der Stadt würden sich mit geradezu märchenhaften Aspekten verbinden: „Viel Wirklichkeit, die aber in so einer Ambivalenz schwebt – wie die unglaubliche Geschichte, dass der Chef fünf Sekretärinnen hat – die Erklärung – er will kein abgearbeitetes Arbeitstier im Büro sitzen haben, klingt aber schon wieder plausibel“. Das Thema „Integration“ werde hier auf „kleine Mosaiksteinchen“ verteilt.

Paul Jandl (Bild: Johannes Puch)Paul Jandl (Bild: Johannes Puch)

Jandl: Die Geburt des Dichters aus dem Geist der Erotik

„Wir erleben hier die Geburt des Dichters aus dem Geist der Erotik“ erklärte Paul Jandl, der die Autorin nach Klagenfurt eingeladen hatte. Ein „hocherotischer Text“ mit Lust am Schreiben sei das, was sich auch darin spiegle dass der Protagonist eben die verschiedensten Schreibtechniken ausprobiere. „Ganz brillant, wie das Große hier im Kleinen auf dieser knappen Fläche gespiegelt ist“, so Jandl, der Parallelen zu „Der goldene Topf“ des auch im Text genannten E.T.A. Hoffmann zog. „Alle Details sind hier nicht nur bis ins allerfeinste durchdacht, sondern auch empfunden worden“.

Caduff: Text beim Vortrag plötzlich witzig

Nun traute sich auch Corina Caduff: Die literarische Sprache sei hier gänzlich vom Pathos befreit worden. Sie sei als Kritikerin immer am Potenzial des Autors, des Textes interessiert – völlig überrascht habe sie, dass ihr der Text beim Vorlesen plötzlich witzig erschienen sei –„ich fand ihm nicht witzig beim Lesen“ – nun erst habe sie dessen Leichtigkeit bemerkt. Nach dem Geständnis, ein „großer Konzeptfreak“ zu sein, müsse sie allerdings anmerken, dass einige Motive des Textes „von irgendwoher“ kämen und dann einfach verschwinden würden. Ein kleiner Vorwurf, der von Paul Jandl sofort mit dem Hinweis „Es ist nicht das größte Übel, wenn auch mal Motive offen bleiben“ entkräftet wurde. Woraufhin Caduff am Ende nur noch meinte: „Rede sie nur weiter, ich werde immer überzeugter“.