Cornelia Travnicek Jurydiskussion

Cornelia Travnicek (A) las den Romanauszug "Junge Hunde" vor. Sie wurde von Hubert Winkels nach Klagenfurt eingeladen - eine gute Entscheidung, befand die restlich Jury, wenn sie sich auch nicht darüber einig werden konnte, ob Literatur genuin verstören müsse oder eben auch "nur" unterhalten darf.

Cornelia Travnicek (Bild: Johannes Puch)Cornelia Travnicek (Bild: Johannes Puch)

Rückblick auf die eigene Jugend

„Eine Beagle-Leiche ist ein schwieriger Fall“: Wie in Stefan Mosters Wettbewerbstext „Der Hund von Saloniki“ spielt auch in „Junge Hunde“ der Rückblick auf die eigene Jugend eine Rolle. „Das Unglück“ taucht hier in Gestalt eines jungen Rehs vor den Scheinwerfern eines zu Unrecht in Betrieb gesetzten Wagens auf. Alles halb so schlimm? Nein, denn immerhin geht es auch darum, den eigenen Vater ins Altersheim zu bringen.

Meike Feßmann (Bild: Johannes Puch)Meike Feßmann (Bild: Johannes Puch)

Feßmann: Warmer Pragmatismus gefällt mir

„Mir gefällt der warme Pragmatismus dieser Geschichte sehr“, begann Meike Feßmann den Text zu loben. Sie habe „großen Respekt“ vor diesem „selbstsicheren Text“, der vom Ende einer Kindheit erzähle, das gewählte Präteritum als Zeitform erlaube Flexibilität. Nicht übertrieben, sei diese Geschichte nämlich „unglaublich gebaut“. Denn: das eigentlich Thema des Textes sei eben der Transport des Vaters ins Altersheim. Das Auto – vorher Transportmittel für den toten Beagle – werde damit gewissermaßen zum Totenschiff. Eine Sommergeschichte, bei der sie viel gelacht habe – „wirklich beachtenswert“.

Strigl: Hege große Sympathien

„Auch ich hege große Sympathien für diese Geschichte“, meinte Daniela Strigl, die den„scheinbar naiven Erzählton“ lobte, wie auch die Situationskomik oder die überraschenden und originellen Einfälle. „Das sind einfache Mittel, die aber funktionieren. Wie sie das macht ist raffiniert“. Auch der in die Geschichte eingeschobene Märchenton – kursiv gesetzt – werte die Geschichte auf, wie auch der ironische Ton, der diese Todesgeschichte „durchwehe“. „Der Text ist nie ganz lustig und nie ganz todtraurig – in dieser Balance ist das geglückt“.

Daniela Strigl (Bild: Johannes Puch)Daniela Strigl (Bild: Johannes Puch)

Nach einem Diskurs über die im Text vorkommende „buntscheckige Stoffkuh“ lobte auch Meike Feßmann die „tollen Einfälle“ der Geschichte, die so „unauffällig transportiert“ würden.

Caduff belehrte Autorin: Eigener Ton fehlt - noch

Als dann auch Hubert Winkels die „wunderbaren kleinen Handgriffe und Tricks“, mit denen hier gearbeitet wurde lobte, schaltete sich Corinna Caduff in Richtung der Autorin ein. „Bei so viel Zuspruch vertragen sie mit ihren jungen 25 Jahren vielleicht auch das Gegenteil?“. Sie habe ein Problem mit der Sprache, wenn da auf der ersten Seite gleich drei Mal das Wort „groß“ stehe. „Da muss man doch noch mal drüber, und nicht nur über die erste Seite“. Insgesamt fehle der Sprache „das Atmosphärische, die Tiefe, der eigene Ton“ – was jedoch, wie Caduff relativierte, mit 25 Jahren „normal“ sei. Trotzdem: „Ich bin nicht begeistert“, denn schließlich gebe es auch bei Ingeborg Bachmann in „Malina“ diesen durch Kursiv-Setzung erkennbaren Märchenton, wobei die „Versuchsanordnung“ hier nicht geglückt sei, weil die Differenz zwischen Märchen und Realität zu wenig deutlich werde. Ebenso wenig für sie erkennbar, die von den Kollegen gelobte Ironie.

Jandl: Jetzt muss ich auch lästern

"Auch ich muss lästern", begann Paul Jandl mit seiner Kritik und der Suche danach, wo denn „der Hund in der Geschichte begraben“ sei: Er zog Parallelen zum Text Stefan Mosters – auch hier sei die reflexive Ebene des „Gefühls zwischen 14 und 18“ noch nicht überwunden. Wie dort würden „Banalitäten hochgejubelt“, die Sprache sei „banal und simpel“ und ohne „tiefe Geheimnisse“. „Der ästhetische Übergang in diesem Kindheitskontinuum fehlt“.

Dem widersprach Hildegard Elisabeth Keller: Der Mangel an Tiefe sei doch hier gerade „Programm“ und „Geschmackssache“ - der Text wolle eine „leichte Sommergeschichte und Kindheitserzählung“ sein. Es geben „viel Sinnlichkeit“ darin und ab und zu „schöne Metaphern“. „Mich ahut es nicht von den Socken, aber das ist konsequent gebaut“.

Feßmann zeigte sich erstaunt: Muss Sprache denn aufdringlich bearbeitet sein, um als ästhetische Sprache zu gelten? Auch Bilder wären doch aus Sprache gemacht, wobei dieser Text auch „mythologisch“ lebar sei – was von den Kollegen aber heftig verneint wurde.

Soll Literatur verstören? Spinnen: JA, JA JA!

„Wenn sie nichts sagen, wiegt das doppelt“, musste die Moderatorin Burkhard Spinnen zum Reden erst ermuntern. Er meinte schließlich: „Ich kann allem Positiven und Negativen, das hier gesagt wurde zustimmen. „Absolut respektabel“, habe ihn dieser in zeitgenössischen Ton verfasst Text „nicht beunruhigt“ – was er aber auch nicht müsse, das sei einem reinen Temperamentsunterschied geschuldet.
Worauf Hubert Winkels fragte: „Hat Literatur denn die Aufgabe zu verstören?“ Und Spinnen antwortete: „Wenn ich hier mit einem Transparent unterwegs wäre, stünde darauf: JA, JA, JA, JA!“.

Jury (Bild: Johannes Puch)Jury (Bild: Johannes Puch)

Für Daniela Strigl kein Widerspruch: „Ich muss mich nicht entscheiden zwischen dem irritierenden Hassinger-Text und diesem, sondern bin von beiden angetan. Angenehm ist doch: Dieser Text macht nicht auf Literatur, ich erfreue mich an also an beiden“.