Inger-Maria Mahlke Jurydiskussion

Inger-Maria Mahlke (D) eröffnete den zweiten Lesetag in Klagenfurt. Die Jury sah in dem Text über eine alleinerziehende Mutter, die in die Rolle einer Domina schlüpft, die einer Trostlosigkeit ohne Ausweg.

Inger-Maria Mahlke (Bild: Johannes Puch)Inger-Maria Mahlke (Bild: Johannes Puch)

Der titellose Text Inge-Maria Mahlkes eröffnete den zweiten Tag im Lesereigen der TDDL 2012. Die Berlinerin wurde von Burkhard Spinnen für den Wettbewerb vorgeschlagen. Die Geschichte über eine Mutter, die ihre Arbeit Im Backjob gegen die einer Domina austauscht und schließlich ihren Sohn verlässt – zumindest legt das die vorgelesene Textstelle des Romanauszuges nahe - kam bei der Jury insgesamt recht gut weg.

Keller: Virtuos auf allen Oberflächen

Hildegard Elisabeth Keller begann:“ Eine allein erziehende Mutter, eine Angestellte eines Backshops macht Karriere als Auspeitscherin“. Die Du-Form werden konsequent den ganzen Text lang durchgehalten, „virtuos“ bleibe der Text „auf den Oberflächen“ von Backblechen und Latex. Ihr nötige dieser Text zwar großen Respekt ab, gleichzeitig ergäben sich aber auch große Fragezeichen: „Warum erschöpft sich das Du an den Materialien dieser Welten, ohne eine Schicht tiefer einzudringen, wo vielleicht das Herz dieser Geschichte schlagen könnte?“

Winkels: Konsequente Nahaufnahme

Hubert Winkels monierte das „Zuviel an Geschichte in der Geschichte“, wobei die Übergänge zwischen den drei Welten der Story wunderbar vermittelt würden: „Konsequente Nahaufnahme, egal ob man sich im Backshop, im Sado-Maso-Schuppen oder bei der Kinder-Erziehung befindet“. Der Text schaffe es, keine moralische Perspektive einzunehmen, löse aber gleichzeitig im Leser die moralische Frage aus: Warum verlässt diese Mutter ihren Sohn?

Burkhard Spinnen (Bild: Johannes Puch)Burkhard Spinnen (Bild: Johannes Puch)

Caduff: Freudlose Existenz in Kargkeit und Strenge

Corinna Caduff war es egal, ob der Text, wie von Burkhard Spinnen erwähnt, ein Auszug aus einem längeren sei oder nicht: Hier müsse das alles funktionieren. Gnadenlos konsequent, stelle der Text eine Freudlose Existenz in Kargheit und Strenge dar. Es gebe keine Moral, keine Reflexion oder Psychologie darin. „Ein ganz toller, eindringlicher Text über Auswegslosigkeit, der sein Konzept sofort klar macht“, so Caduff. Die Figur sthe unter systematischer Beobachtung und sei durch und durch „Produkt ihrer Autorin“.

Feßmann: Text duzt die Heldin ohne Moral

„Das Du ist doch eine sozialtherapeutische Ansprache, das gefällt mir nicht“, urteilte Meike Feßmann über den für sie sichtbaren „Kontrollblick von Außen“. Der Text duze seine Heldin, und das ohne Moral. Insgesamt sei ihr das sprachlich Öde erschienen, außerdem erniedrige der Text seine Figur und lasse ihr keinen Ausweg, als die vorgefertigte Rolle zu erfüllen.

Meike Feßmann (Bild: Johannes Puch)Meike Feßmann (Bild: Johannes Puch)

Spinnen: Tobende brodelt unter der Oberfläche

Hier griff wieder Burkhard Spinnen ein: Das Tobende im Text brodle doch gerade unter der Oberfläche seine Formalismus: „Diese Frau tut Unsägliches und Unsagbares und ringt darum, sich das selbst vorzusagen, es zumindest in Sprache zu überführen“. Hier werde die immer stärker werdende Ökonomisierung des Alltags sichtbar, Die Entfremdung des Menschen im Kapitalismus, aber „ohne das gleich von Harz IV die Rede ist“. Der Sohn sei im Gegensatz zur Mutter „durchdrungen“ davon.